In der heutigen Arena wurden einige Fakten verdreht, welche ich noch im einzelnen korrigieren will.
Behauptung 1: Der Trojaner kostet alles in allem ca. 5000 Franken
Berücksichtigt man die Tatsache, dass es keine Trojaner-Herstellerfirma in der Schweiz gibt und der Bund auch keine Kompetenzen in diesem Bereich besitzt, funktioniert das Ganze wie folgt:
- Überwachung des Internetverkehrs um die Gewohnheiten der Zielperson festzustellen. Es wird ein Katalog erstellt, welche Software-Versionen gebraucht werden um dann diese Versionen anzugreifen. Dies schlägt mit rund 750 Franken zu Buche. Sollte die betreffende Person aber nur verschlüsselt kommunizieren und sich z.B. mittels Tor im Internet bewegen, wird selbst das Identifizieren der benutzten Software-Komponenten eine Arbeit von mehreren Wochen, wenn nicht Monate. Diese Arbeit wird von Beamten durchgeführt, welche dann im regulären Dienstbetrieb fehlen.
- Finden einer Schwachstelle. Da gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: die Beschaffung auf dem Schwarzmarkt. Schwachstellen, die noch nicht bekannt sind (sog. 0-Day Lücken), gibt es auf dem Schwarzmarkt für mehrere 10’000 – 100’000 Franken zu kaufen. Die Staatsanwaltschaft unterstützt somit das organisierte Verbrechen im Ausland, um Verbrechen im Inland aufzuklären.
- Paketierung der Schwachstelle mit dem Virus. Wie oben geschrieben gibt es in der Schweiz keine Firma, welche solche Arbeiten durchführen will oder kann. Das heisst, es müsste eine Firma aus dem Ausland beauftragt werden. Dies birgt jedoch viele Risiken, prozessuale und auch rechtsstaatliche. Der Markt bestimmt die Preise, und da es keinen Markt gibt, gehen wir pro Überwachung von ca. 100’000 Franken aus. Ohne Erfolgsgarantien.
- Den Rechner infizieren. Hierzu muss die Zielperson dazu gebracht werden, einen E-Mail-Anhang zu öffnen oder eine präparierte Website aufzurufen mittels Link in einer E-Mail. Seit den Enthüllungen von Snowden sind auch Verbrecher vorsichtiger geworden. Es existieren Gegenmassnahmen um einer Infizierung entgegenzuwirken und die werden auch eingesetzt.
Alles in allem bewegen wir uns also im Bereich von mindestens 150’000 Franken pro Überwachung mittels Staats-Trojaner. Da ist die Arbeit der Beamten, welche geschult werden müssen und die Zeit bei der Recherche nicht eingerechnet. Der Erfolg der Überwachung ist allerdings nicht garantiert.
Behauptung 2: Es werden nur Kriminelle überwacht
Stimmt nicht. Der Dienst ÜPF kann nur Anschlüsse, und keine Personen überwachen. In einer Familie oder WG wird immer der Hauptanschluss überwacht und damit geraten Personen ins Visier der Fahnder, welche nicht das Ziel der Überwachung waren.
Zudem werden im Moment schon die Positionen aller Mobiltelefone wie auch die Zeit und Länge aller Gespräche präventiv gespeichert. Zudem wird gespeichert zu welchen Websiten man eine Verbindung aufbaut. Das alles unabhängig davon, ob man verdächtig ist oder nicht. Was man aus solchen «Randdaten» rauslesen kann, hat der grüne Nationalrat Glättli der seine Daten öffentlich gemacht, hat sehr eindrücklich gezeigt.
Behauptung 3: Wir brauchen mehr Zeit um die Fälle zu ermitteln
Stimmt nicht. Laut unseren Informationen, welche vom Dienst ÜPF stammen, beträgt die durchschnittliche Zeit zwischen Tat und Anfrage zwei Tage. Es wird immer Einzelfälle geben, bei denen die Zeit nicht ausreicht, aber im Namen der Verhältnismässigkeit muss man vom Regelfall und nicht von den Ausnahmen ausgehen.
Behauptung 4: Die Staatsanwaltschaften sind machtlos gegenüber den neuen technischen Möglichkeiten
Stimmt nicht. Nehmen wir das Beispiel Skype: Dessen Firmensitz in Europa ist in Luxemburg, welches das «Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen» auch ratifiziert hat. Warum soll nun die Staatsanwaltschaft kein Rechtshilfeersuchen stellen, welchem sicher stattgegeben wird?
Auch WhatsApp, was gerne genannt wird, muss auf Rechtshilfe-Gesuche reagieren.
Behauptung 5: Um Terrorismus und Kinderpornographie zu bekämpfen brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung
Fast alle rückwirkenden Anfragen beziehen sich auf Drogenkriminalität. Abgesehen davon, dass der «Krieg gegen die Drogen» als gescheitert betrachtet werden muss, erscheint eine präventive Speicherung aller Mobilfunk-Positionen mehr als fragwürdig. Zumal die Informationen, die für die Verfolgung von Betäubungsmittel-Delikten gebraucht werden, nur die Verbindungsdaten sind. Die lassen sich aber auch aus dem Abrechnungs-System der Mobilfunk-Firmen abfragen.